Welche Vorteile und Nachteile hat VoIP?

Die wichtigsten Punkte für Unternehmen

22.9.2020 - Ralf Sommerfeld

Voice over IP, kurz VoIP, ist der Standard in der modernen Telefonie und Telekommunikation. Mit der Umstellung auf All-IP und der Abschaltung von analoger Telefonie, ISDN und Primärmultiplex, ergeben sich für Unternehmen zahlreiche neue Möglichkeiten und Chancen. Vielen Unternehmen und Entscheidungsträgern sind diese Möglichkeiten aber teilweise immer noch fremd. Nachfolgend bieten wir Ihnen daher zusammengefasst eine Gegenüberstellung der wesentlichen Vorzüge und möglichen Nachteile von VoIP und Internettelefonie.

 

Vorteile von VoIP

Schlankere IT-Infrastruktur

Ein großer Vorteil der IP-Telefonie besteht darin, dass bestehende Netzwerkinfrastruktur genutzt werden kann und nicht länger eigene Telefonleitungen und spezielle Geräte wie im Falle von ISDN benötigt werden. IP-Telefonanlagen lassen sich aufgrund ihrer Software-Basis auf Standard-Serverhardware betreiben, lokal im Unternehmen oder als Cloud-Telefonanlage im Rechenzentrum. Endgeräte können per Netzwerkkabel über das Firmennetz angebunden werden, oder in Form von Softphones auf den ohnehin vorhandenen Computern der Mitarbeiter.

 

Abb. 1: Einfaches VoIP-Setup mit Cloud-Telefonanlage und IP-fähigen Endgeräten

 

Kosteneinsparungen

Die Kostenreduktion, die sich aus der schlankeren Netzinfrastruktur ergibt, schlägt sich bei vielen Providern auf den Preis nieder. Nachdem die Abschaltung von ISDN und Primärmultiplex (PMx) und die Umstellung auf All-IP vollzogen ist, sind weitere Preissenkungen der Provider denkbar, um sich im Wettbewerb durchzusetzen. Weitere Kosteneinsparungen lassen sich etwa durch die Nutzung von Softphones und Apps erzielen. Mit dem Festnetzanschluss und der Durchwahl Ihres Unternehmens können Sie so auch über Smartphone, Tablet und Computer kostengünstig telefonieren. Gespräche innerhalb des Firmennetzes sind sogar kostenlos. Ein weiterer Kostenfaktor für Unternehmen ist die Frage, ob sie eine vielleicht bereits bestehende Telefonanlage weiterverwenden können.

 

Ortsunabhängigkeit

Die Telefonie über IT-Netzwerke und das Internet ermöglicht eine standortübergreifende Nutzung und Kommunikation. Endgeräte können weltweit eingesetzt und an einer zentralen IP-Telefonanlage registriert werden. Softphones können bspw. auf Laptops eingesetzt werden, und Smartphone-Apps den Festnetzanschluss des Unternehmens auf dem Smartphone zur Verfügung stellen. Mehrere Standorte, Filialen und Heimbüros lassen sich anbinden. Für verschiedene Vorwahlbereiche können mehrere SIP-Trunks in der TK-Anlage registriert werden. Eine sichere Anbindung an das Firmennetz und die TK-Anlage kann beispielsweise über ein virtuelles privates Netzwerk (VPN) erfolgen. Im Falle größerer Standorte mit jeweils vielen Teilnehmern, wäre auch die Vernetzung mehrerer TK-Anlagen denkbar.

 

Abb. 2: Vereinfachte Darstellung einer Standortvernetzung über eine Cloud-Telefonanlage

 

HD-Telefonie

Über HD-Voice oder HD-Telefonie ist unter Verwendung entsprechender Codecs, wie z.B. G.722 oder Opus, das Telefonieren in hoher Sprachqualität möglich. Damit HD-Telefonie funktioniert, müssen alle an einem Telefonat beteiligten TK-Anlagen, Media-Gateways, IP-Telefone und VoIP-Provider HD-fähig sein und den eingesetzten Codec unterstützen. Falls der verwendete Codec von einer der beteiligten Komponenten nicht unterstützt wird, wird ein Standardcodec für durchschnittliche Sprachqualität verwendet.

 

Abb. 3: Typische Komponenten einer Sprachübertragung

 

Funktionsumfang

VoIP bietet weitreichende Funktionalität, insbesondere im Falle von IP-Telefonanlagen. Aber auch VoIP-Provider und SIP-Trunks bieten oftmals schon grundlegende Funktionalität. Die gemeinsame Grundlage in Form von Rechnernetzen und Protokollen wie IP und SIP, die VoIP-Lösungen mit anderen Geschäftslösungen gemein haben, ermöglichen neben bekannten Telefoniefunktionen neue Möglichkeiten, etwa im Bereich Unified Communication & Collaboration (UC oder UCC). So lässt sich Telefonie um weitere Kommunikationsformen, wie z.B. Fax-via-Email, Videokonferenzen oder Screensharing ergänzen und in weitere Systeme und Prozesse wie Customer Relationship Management (CRM) oder Call Center integrieren.

 

Abb. 4: Verzahnung von Kommunikation und Kollaboration (UCC)

 

Ausfallsicherheit

Eine häufige Frage ist auch, ob Anrufe weiterhin getätigt werden können, wenn der Internetanschluss ausfallen sollte. Hier kann eine automatische Rufumleitung helfen, die sich bei vielen VoIP-Providern sehr flexibel umsetzen lässt. Falls z.B. Ihr Bürotelefon offline ist oder Ihre Telefonanlage aufgrund eines Stromausfalles oder wetterbedingten Ereignisses nicht erreichbar sein sollte, kann auf Ihr Mobiltelefon ausgewichen werden.

 

Abb. 5: Automatische Rufumleitung auf Mobiltelefon

 

Zumindest die meisten on-premise TK-Anlagen ermöglichen die Anbindung mehrerer VoIP-Anbieter sowie das automatische Ausweichen auf einen Failover-Provider falls der Provider ausfallen sollte, über den normalerweise telefoniert wird. Hierfür wäre allerdings ein zweiter SIP-Trunk vorzuhalten.

 

Abb. 6: Fallback-Provider bei Ausfall des Hauptanschlusses

 

Bei Ausfall einer IP-Telefonanlage ermöglicht die Software-Grundlage, Backups der Systemkonfiguration einzuspielen und den letzten stabilen Systemzustand wiederherzustellen. Die meisten Anbieter und TK-Anlagen unterstützen das automatische Erstellen regelmäßiger Backups. Je nach Anbieter und Anlagenmodell kann bei einem Totalausfall auch auf ein redundantes System ausgewichen werden, manuell per Cold-Standby oder automatisch per Hot-Standby. Man spricht in solchen Fällen auch von Hochverfügbarkeit.

 

Während eine redundante on-premise TK-Anlage vom Kunden vorgehalten werden müsste und zusätzliche initiale Anschaffungskosten mit sich bringen würde, bieten Anbieter von Cloud-Telefonanlagen regelmäßige Backups und Redundanz meist als Teils ihres Service-Angebotes an.

 

Flexibilität

Immer wieder hört man in Bezug auf VoIP von besserer Skalierbarkeit und mehr Flexibilität. Doch was heißt das? Zum einen basiert die Funktionalität aller modernen IP-Telefonanlagen auf Software. Neben Basisfunktionen lassen sich weitere Funktionen und Sonderlösungen, bspw. für Hotels oder Call Center, oft durch zusätzliche Lizenzen bzw. durch ein Upgrade der bestehenden Lizenz freischalten. Es ist also nicht erforderlich, von Beginn an den kompletten Funktionsumfang zu beziehen, den man vielleicht gar nicht benötigt. Auch weitere Rufnummern und Nebenstellen lassen sich bei Bedarf hinzufügen, oder wieder entfernen. Viele TK-Anlagen ermöglichen auch, dass Mitarbeiter sich zur Annahme von eingehenden Telefonaten flexibel in Warteschleifen an- und abmelden können, was beispielsweise für Call Center und telefonischen Support zu Stoßzeiten unerlässlich ist.

 

Skalierbarkeit

Auch SIP-Trunks lassen sich einfacher anpassen, als es für ISDN und Primärmultiplex (PMx) noch der Fall war. Ein Upgrade auf mehr parallele Gespräche oder einen größeren Rufnummernblock ist meist mit wenigen Klicks in einer Weboberfläche möglich. Auch zeichnen sich viele SIP-Provider durch kurze Vertragslaufzeiten aus oder bieten sogar monatlich kündbare Anschlüsse an. Bei einem Anbieterwechsel ist die Rufnummernmitnahme auf Seiten des neuen Anbieters meist kostenlos, aber in der Regel entgeltlich beim bisherigen Provider.

 

Risiken von VoIP

Audioqualität

Die Audio- und ggf. Videoqualität bei VoIP ist u.a. abhängig vom vorliegenden Breitbandanschluss, also davon, über wie viel Bandbreite dieser verfügt und wie stark er, auch von anderen Diensten, genutzt wird. Neben einer ausreichenden Bandbreite sollte im Netzwerk auch Quality of Service (QoS) konfiguriert werden, so dass IP-Telefonie priorisiert wird.

 

Idealerweise wird auch ein eigenes VLAN für die Telefongeräte eingerichtet. Die Bandbreite, die ein Unternehmen benötigt, hängt von der Anzahl der gleichzeitigen Telefonate ab. Um den Bedarf festzustellen, kann ein Bandbreitentest im Firmennetzwerk durchgeführt werden. Für jedes VoIP-Gerät sollte eine Upload-Geschwindigkeit von mindestens 100 kbit/s verfügbar sein. Eine gute Verbindung hat zudem weniger als 70 ms Ping und Jitter.

 

Für Unternehmen, wie z.B. Call Center und Umfrageinstitute, deren Kerngeschäft die Telefonie ist, ist eine optimale Sprachqualität unabdingbar. Hierfür gibt es Lösungen im Bereich Anrufüberwachung, oder auch Qualitätsüberwachung (QM, für Quality Monitoring), womit die Gesamtqualität von Anrufen über ein IP-Telefonnetz getestet, analysiert und bewertet werden kann. Die Anrufüberwachung ist eine oftmals eine Schlüsselkomponente des QoS-Plans eines Unternehmens mit hohem Telefonaufkommen.

 

Latenz und Jitter sind, neben Geschwindigkeit und Bandbreite, ausschlaggebend für eine gute Verbindungsqualität. Bei der Kommunikation über Rechnernetze und Internet wird jede Nachricht in Datenpakete, oder auch Datenbits, unterteilt. Erreichen diese Pakete ihr Ziel, werden sie wieder zusammengesetzt, um die ursprüngliche Nachricht wiederherzustellen. Latenz und Jitter treten auf, wenn diese Datenpakete Verzögerungen bei der Übertragung aufweisen oder nicht ordnungsgemäß wieder zusammengesetzt werden. Die Folge kann Paketverlust, also ein Verlust von übertragenen Daten sein. Die Ursachen dafür liegen möglicherweise nicht einmal in Ihrem Netzwerk. Die wichtigsten Internet-Backbones ändern bspw. Datenrouten, um den Datenverkehr zuverlässig und schnellstmöglich zum Ziel zu liefern. Diese Änderungen erfolgen automatisch, ohne dass Sie als Nutzer darauf Einfluss haben. Dem entgegen wirken können sogenannte Jitter-Buffer, womit ein Teil der eingehenden Pakete zunächst gesammelt wird, um sie dann möglichst unterbrechungsfrei beim Empfänger wiederzugeben.

 

Sichere Telefonie

Eine häufige Frage zu VoIP ist Verschlüsselung für sichere Telefonie. Bei ISDN war diese nicht gegeben. Im Falle von VoIP handelt es sich bei IP-Sicherheit und Verschlüsselung um komplexe Themen aufgrund der miteinander vernetzten Systeme und Rechnernetze. Zwar unterstützen TK-Anlagen, Telefone und Provider i.d.R. Verschlüsselung, doch können Provider diese nur innerhalb ihrer eigenen Netze gewährleisten.

 

Notruf

Ein weiterer wichtiger Punkt in Bezug auf VoIP betrifft den Notruf. Kritisch sind vor allem eine unterbrechungsfreie Stromversorgung, worauf im nächsten Abschnitt eingegangen wird, sowie die Standortverfolgung, wenn der Notruf gewählt wird. Aufgrund der Standortunabhängigkeit von VoIP ist es für Dritte schwierig, den Ursprung eines Anrufes zu bestimmen. In einer Telefonanlage lassen sich SIP-Trunks mit verschiedenen Vorwahlbereichen einrichten und Außenstellen und Heimbüros anbinden. Anrufe kommen von einer IP-Adresse ohne GPS-Daten oder Mobilfunkinformationen. Dies kann problematisch für Rettungsdienste sein, da Notrufe an die Notrufstelle durchgestellt werden, die der Anschlussadresse, also bspw. der zentralen Telefonanlage am nächsten liegt. Hier ist daher unbedingt auf eine korrekte Konfiguration der TK-Anlage und die aktuelle Gesetzeslage Rücksicht zu nehmen.

 

Stromversorgung

Schließlich ist bei VoIP noch die Stromversorgung erwähnenswert. ISDN- und analoge Telefone konnten über Telefonanschluss und NTBA mit Fernspeisung (auch als Phantomspeisung oder Notspeisung bezeichnet) versorgt werden. Da die Fernspeisung über eigene Leitungen bereitgestellt wurde, konnten Telefone selbst bei einem Stromausfall weiterhin funktionieren. Selbst für kleine Telefonanlagen war dies möglich. Große Telefonanlagen für Unternehmen mit Primärmultiplexanschlüssen und mehr parallelen Leitungen benötigten anstelle eines NTBAs einen NT2M (auch als NTPM bezeichnet). Zudem benötigten diese TK-Anlagen eine eigene Stromversorgung und somit eine Anbindung an das herkömmliche Stromnetz, wie in der folgenden Grafik dargestellt.

 

Bei VoIP erfolgt die Energieversorgung über herkömmliche Steckdosen und, z.B. im Falle von IP-Telefonen, auch über Power-over-Ethernet (PoE) und einen PoE-Switch. Ein Stromausfall kann nun auch direkt die Telefonie treffen und eine stabile Stromversorgung ist unerlässlich, auch für die Erreichbarkeit der Notrufnummern. Unternehmen können zur Absicherung ein System mit Pufferbatterie (USV) in Erwägung ziehen, an der die TK-Geräte und PoE-Switches angeschlossen werden können.

 

Eine weitere Möglichkeit der Absicherung ist die im Abschnitt Ausfallsicherheit dieses Artikels bereits erwähnte automatische Rufumleitung beim SIP-Provider auf das Mobilfunknetz, für den Fall dass ein Telefon offline ist.